Das Schiff der Hoffnung by Heinz G. Konsalik

Das Schiff der Hoffnung by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-28T04:00:00+00:00


Die ›MS Budva‹ trieb lautlos in der Adria zwischen Bari und Dubrovnik.

Auf dem Spieldeck vertrieb die Bordkapelle tatsächlich den Tag mit flotter Musik, aus der Küche wurden eiskalte Getränke serviert, die Passagiere beobachteten die Tümmler, die um das Schiff herumtanzten, und die Schwärme silberner Fische, die wie ein Strom aus gerilltem Metall durch das blaue Wasser zogen. Man fotografierte, tanzte, machte Gesellschaftsspiele, belagerte die kleine Bar, lag in den Liegestühlen und sonnte oder brauste sich am Rande des leeren Schwimmbeckens.

Unter Deck aber, bei den Schwerkranken, herrschte diese fröhliche Ferienstimmung nicht. Der Engländer war wieder in Agonie gefallen, aber nicht ohne vorher seinen Neffen beschimpft zu haben, weil er nicht fähig sei, ein Flugzeug zu chartern, um Sarajewo und die Wunderpillen des Dr. Zeijnilagic zu erreichen. Auch ein schwedisches Ehepaar, das als erstes an Bord gegangen war und seitdem nur in ihrer Kabine gelebt hatte, machte von sich reden: Die Frau, mit einem als unheilbar diagnostizierten Brustkrebs, hatte allen Mut verloren und flehte ihren Mann an, ihr so viel Morphium zu geben, daß sie ruhig und für immer einschlafe. Dr. Mihailovic, der Bordarzt, soff sich Mut mit seinem geliebten Slibowitz an und versuchte, die Panik unter den Kranken mit Worten und Medikamenten zu lindern.

»Nur 24 Stunden höchstens!« sagte er immer wieder und schrieb, da er nur serbokroatisch sprach, die 24 auf ein Stück Papier und zeigte sie jedem, der es sehen wollte. »Keine Aufregung! Sie werden Sarajewo alle noch rechtzeitig erreichen!«

Um die Mittagszeit, als Karl Haußmann und Erika auf dem Oberdeck Kricket spielten, brach unter Deck die Katastrophe aus. Ein Mann aus Flensburg, der bisher ruhig an der Bar gesessen hatte und von dem niemand Näheres wußte, verließ nach drei Kognaks den Speisesaal und ging in seine Kabine. Dort nahm er aus seinem Koffer ein großes Taschenmesser, klappte die Klinge heraus, trat wieder in den Gang und sah mit irren Augen um sich.

»Der Doktor!« sagte er laut vor sich hin. »Wo ist der Doktor? Alle Ärzte sind Betrüger! Alle Ärzte belügen uns! Alle! Sie verderben die Menschheit. Aber bevor sie es tun können, werde ich im Namen der Menschheit alle Ärzte töten.«

Mit äußerlich ruhigen Schritten ging er durch das Schiff, das Messer in der flachen Hand, so daß es niemand sah, und suchte in den Kabinen nach Dr. Mihailovic.

»Entschuldigen Sie«, sagte er jedesmal, wenn er eine Kabinentür aufriß oder man ihm nach seinem Klopfen öffnete. »Dr. Mihailovic hier?« Er starrte in die Kabinen, schüttelte dann den Kopf und ging weiter.

So kam er auch in die 1. Klasse zu der Kabine Karl Haußmanns, klopfte an und betrat sie, als niemand ihm Antwort gab. Erschöpft von seiner Suche nach Dr. Mihailovic setzte er sich in einen der Sessel, legte das Messer auf die Lehne und erholte sich etwas.

Oben, auf dem Spieldeck, legte Erika Haußmann den Schläger weg und strich sich die verschwitzten, kupfern leuchtenden Haare aus der Stirn.

»Eine Hitze ist das, Karli«, sagte sie. »Ich geh' schnell 'runter und ziehe mich um. Kommst du mit?«

Karl Haußmann schielte auf die kleine Erfrischungsbar. Aus einem Eiskessel zog der Steward Büchsen mit deutschem Bier.



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